Agonie
Agonie.
Unbeteiligt glotzt das Auge des Himmels
herab von gleißenden Höhen,
schon halb verdeckt von einem mächtigen Lid
aus Gewitterwolken.
Du starrst zurück und wünscht inbrünstig,
es möge sich gänzlich schließen
und mit einem Sturzbach von Tränen
dein Schicksal beweinen.
Der Blues in dir brüllt die Passanten ringsumher an,
laut wie ein Donnergrollen,
doch die Lemminge sind taub
und stumm.
Aus den Kanalschächten dringt schillernder Qualm
in die Schwüle des Abends,
Fäkaliengedämpf,
stinkendes Zeugnis von Fortschritt und Wohlstand;
sie riechen es nicht, diese Sinn - Losen.
Agonie.
Vierzig Tage in der Wüste der Gleichgültigkeit.
Der Versucher ist ein prächtiges Blumenbeet,
Primeln, Tulpen, Narzissen,
die dich höhnisch anjaulen,
schön und gefährlich wie das Netz der Spinne,
eine Kakophonie
von Farben und Formen filigraner Ästhetik,
wurzelnd in der schwarzen Erde einer Grabstätte,
die nach dir ruft.
Durst quält die ausgedörrte Kehle deines Herzens,
doch das Wasser in diesem Ozean der Lieblosigkeit
ist salzig.
Deine Eingeweide brennen von wenigen Tropfen,
die tief in deiner Seele rumoren.
Aus deinen Augen dringt Sekret, das ebenfalls salzig ist,
doch lindert es nicht deinen Schmerz,
mindert nicht die Qual deines Leids.
Agonie.
Häuserwände weisen dich ab, grau, glatt, fugenlos,
Symbol der Herzen deiner Mitbürger,
die gierig schnappen nach der runzligen Haut
des Gottes Geld,
Stücke herausreißen ungeachtet der eitrigen Wunden,
die sie dem Wesen schlagen,
das sie einst selber waren,
dem Menschen,
der fähig war der Freude und des Mitleids.
Heute sind die Herzen kalt, bloße Muskeln nur,
zuckende Klumpen Fleisch, bebend im Rhythmus der Zeit,
abweisend wie Mauern, grau, glatt, fugenlos.
Immer noch nicht weint der Himmel um dich,
und auch der Blues in dir schweigt jetzt,
erschöpft von fruchtloser Anstrengung.
Nicht länger hälst du ihn aus,
den Marsch durch die Instanzen der Verachtung,
und verzweifelt stürzt du zurück
in die Einsamkeit und Verlassenheit
deiner Wohnung.
Agonie.
Apr. 1988