rDie Ballade vom Reiter in Grabsteinstadt
Ein Reiter kam nach Grabsteinstadt,
Sein Auge war leer,
Seine Seele war schwer,
Und er hatte sich selbst und das Leben so satt.
Der Reiter verharrte, sah auf und stieg ab,
Vertäute das Pferd
Und nahm mit, was von Wert
Gleich vorm ersten Stall dort in Grabsteinstadt.
"Von Wert", dachte er und schaut' auf den Tand,
Ein Beutel voll Gold,
Ein sechsschüss'ger Colt,
Den Wert eines Lebens in nur einer Hand.
In nur einer Hand hielt er, was von Wert,
Metall zum Gebot
Und Metall für den Tod,
Was also ein Mann dieser Zeit so begehrt.
Es war dies Metall, das geleitet sein Tun,
Er raubte das Gold
Und Blei spie sein Colt,
Gejagt vom Gesetz dafür ist er nun.
Gejagt vom Gesetz, dessen Name ist Recht,
Dessen Hüter brutal,
Kennt nur Macht, nicht Moral,
Dessen Anschein ist gut, dessen Anstand ist schlecht.
Ein Gesetz, das ihn hetzte all über das Land,
Das nichts weiß von Geduld,
Das nur fragt nach der Schuld,
Ein Gesetz, kalt im Herzen und scharf an Verstand.
Doch wie, fragt der Reiter, sind anders die Häscher?
Sie tragen den Colt,
Sie töten für Gold,
Sie spielen im Namen des Volkes den Rächer.
Denn wirklich: es geht nicht um Recht, nur um Rache,
Denn haben sie einmal dich erst beim Genick
Dann lautet die Frage nur: Knast oder Strick?
Und das ist das Komische an dieser Sache.
Komisch doch nur für den, den's nicht trifft
Und tagisch für alle Gefassten,
Jene vom Bürger so eifrig Gehassten,
Die werden frei franko zum Hades verschifft.
Ab hier gibt's kein Zögern, es gilt auch kein Mitleid,
Denn bist du gefangen,
Kommt nur noch das Hangen,
Das ist die Maschine Gerechtigkeit.
Das alles erwartet den Reiter in Grabsteinstadt.
Ist es dann zum Wundern,
Wenn er, nicht 'mal ungern
Wollt' lösen sein Herz von der blutigen Tat?
Wollt' lösen sein Herz von besitzgier'gem Denken,
Denn auch er ist ein Mann,
Der nicht nur schlecht sein kann,
Doch da kommt das Recht schon, nur um ihn zu henken.
Ein Reiter kam nach Grabsteinstadt
Mit 'nem Beutel voll Gold,
Den das Recht sich nun holt,
Nachdem dann auch es tat die blutige Tat.
Der Reiter starb in Grabsteinstadt,
Und klingt es auch irr -
Nur darum war er hier,
Denn er hatte sich selbst und das Leben so satt.
Nov. 1993