Das Geschöpf der Zuur
Eine Story aus dem Perry-Rhodan-Universum
„Privates Tagebuch Nuuvar Shrook, vierter Terminus im Jahr 89 der Schwarzzeit. Dies ist der letzte Terminus der Zuur. Die Naturgewalten können nicht länger kontrolliert werden, die Beben werden immer schlimmer. An weiteren vier Stellen des Kontinents Ahaar ist der Boden aufgebrochen. Die Staubmassen, die von den unzähligen Vulkanen in die Atmosphäre geschleudert werden, vernichten auch die letzten Pflanzen.
Zuur stirbt.
Auch die subplanetaren Habitate sind bis auf eines von den Gewalten zerstört worden. Das letzte Habitat ist Zuura, doch auch hier bersten bereits die Wände. Ich hoffe und bete, dass wenigstens das Lebensschiff noch starten kann.“
*
„Logbuch der TONUBY, Kommandant Retos; Letzter Eintrag.
Ich weiß nicht, wie lange ich der Kreatur noch widerstehen kann, die von allen Seiten auf mich eindringt. Ich habe mich auf der Brücke der TONUBY hinter einem Schutzschirm verschanzt. Allerdings kommt es immer häufiger zu Feldspannungsschwankungen. Die von der Kreatur übernommenen Techniker sabotieren eine Energieleitung nach der anderen, bald wird das Feld zusammenbrechen. Ich werde mich jedoch nicht meinem Schicksal ergeben, sondern bis zum letzten Atemzug gegen das Monster ankämpfen.“
Retor Retos, ein Ertruser mit den entsprechenden Körpermaßen von zweieinhalb Metern Größe und einem Gewicht von über sechzehn Zentnern, streichelte beinahe zärtlich den Lauf des überschweren Impulsladers auf seinem Schoß. Die Waffe war normalerweise nicht für den Handgebrauch geschaffen, aber dank seiner überlegenen Konstitution konnte der umweltangepasste Nachkomme terranischer Siedler den Strahler ohne weiteres handhaben.
Wieder zuckten Entladungsblitze durch das Feld des Schutzschirms. Der Kommandant fragte sich, wie der direkte Kontakt mit dem Alien wohl vor sich gehen würde. Eine Lebensform wie diese hatte Retos noch nie gesehen. Allen Beschreibungen zufolge, die er als Captain eines Explorerraumers zur Verfügung hatte, ähnelte die Kreatur dem Zentralplasma auf der Hundertsonnenwelt. Allerdings zweifelte Retos daran, dass es sich hier um das „Gehirn“ der Posbis handelte – vielleicht aber war es ein degenerierter Abkömmling desselben.
Dreizehn Minuten später flackerte das Kraftfeld um den Kommandostand jäh auf, dann erlosch es endgültig. Wie eine fleischfarbene Woge brandete die Kreatur auf den Ertruser zu, eine Woge, aus der kurze, spitze Stacheln heraus ragten, die sich in sein Fleisch bohren wollten. Retor Retos presste den Daumen auf den Knopf des Impulsladers, der das Dauerfeuer auslöste. Röhrend und zischend brannte sich der sonnenhelle Energiestrahl in das Plasma, verzehrte und verkohlte es.
Dann, nach Sekunden nur, hörte der Ertruser auf zu schießen. Sein Blick wurde glasig, und der Lader entglitt seinen plötzlich kraftlosen Händen.
Einer der „Stacheln“ hatte sich durch seine Bordkombi in die dicke Haut seines rechten Beins gebohrt.
*
„Mobile Workstation DANGER, Logeintrag, 7. Februar 2445, Qent Milon: Ich bin total frustriert. So hilflos habe ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Die vakuumdichte Terkonithülle von DANGER schützt mich zwar vor der Kreatur, aber ich kann trotzdem kaum etwas machen. Die Lebensform hat sich als Plasmahaufen sowohl im Maschinenleitstand als auch in der Zentrale breit gemacht. Von diesen Neuralballungen – ich nenne die Plasmaansammlungen so, weil sie intelligent zu handeln scheinen – laufen gespinstartige Ausläufer durch praktisch das ganze Schiff. Die Gesamtmasse der Kreatur muss unglaublich groß sein, denn die TONUBY durchmisst immerhin 500 Meter. Ich versuche, jetzt in die Zentrale zu kommen. Ich muss wissen, was mit Kommandant Retos ist. Vielleicht kann ich von dort noch etwas ausrichten.“
Qent Milon war Siganese. Er, der Mikroingenieur und Kybernetiker war, hatte sich einen humanoiden Miniroboter konstruiert, der mit einer Größe von fünfundvierzig und einem Umfang von dreißig Zentimetern zwar klobig aussah, ihm in seinem Innern dafür aber einen bequemen und komfortablen Arbeitsplatz bot. An die Besatzungsmitglieder, die sich ihr Lachen kaum verkneifen konnten, wenn DANGER wichtigtuerisch mitten auf dem Gang durch die Gegend stolzierte, hatte sich der Siganese bald gewöhnt. Immerhin war er viel stärker als jeder Mensch, schneller und mit seinen vier Handlungsarmen auch vielseitiger. Allerdings hatte Milon den Roboter nicht bewaffnet: DANGER war trotz des matialischen Namens ein wandelndes Forschungslabor zur Entnahme und Analyse von Proben in allen möglichen Atmosphären und im Weltraum. Mit den Mikrogeräten, die an den Spitzen der Handlungsarme befestigt waren, konnte Milon auch technische Arbeiten an Maschinen durchführen. Außer einem kleinen Schweißbrenner hatte er aber nichts, was sich auch nur entfernt als Waffe verwenden ließ.
Die Ausläufer, die aussahen wie extrastarke Spinnweben, beeinträchtigten sein Fortkommen nur geringfügig. Wenn einmal ein Weg völlig versperrt war, konnte Milon mit dem Antigrav des Roboters einfach darüber hinweg setzen. Zweimal hatte er auch schon die Ausläufer der Kreatur durchtrennt, die Verbindungen waren jedoch sofort wieder hergestellt worden.
Durch einen der sechzehn Antigravschächte schwebte DANGER hinauf zum Mitteldeck. Die Schotten der Zentrale standen weit offen. Besatzungsmitglieder waren keine zu sehen. Das wunderte den Siganesen überhaupt nicht: die Kreatur hatte fast alle Offiziere und Mannschaften umgeformt.
Qent Milon schauderte, als er daran dachte, wie sich zwei Bordingenieure vor seinen Augen aufgelöst hatten und im Plasma der Kreatur aufgegangen waren, ohne dass er ihnen helfen konnte. Die merkwürdige Lebensform musste trotz ihres primitiven Äußeren ein hochkomplexer Organismus sein. Deshalb hatte Milon eine Probe von dem Plasma genommen, die im Analysezentrum des Roboters untersucht wurde.
DANGER schob mit seinen Handlungsarmen mehrere Gespinststränge zur Seite, dann betrat der Miniroboter, der von dem Siganesen intuitiv gesteuert wurde, die Kommandozentrale. Plötzlich zuckte ein Energiestrahl an ihm vorbei, und der Schreck, der Milon durch die Glieder fuhr, veranlasste DANGER zu einem mächtigen Satz nach rechts.
Als er sich wieder gefasst hatte, wurde der Siganese Zeuge, wie Kommandant Retor Retos, der gewaltige Ertruser, in wenigen Augenblicken von dem unheimlichen Plasmawesen übernommen wurde. Zwar wurde Retos nicht aufgelöst, aber er verlor augenblicklich jede Gewalt über seinen Körper und Geist.
„Nein!“
Der Entsetzensschrei Milons verhallte ungehört im Inneren DANGERS, denn der Siganese hatte die Außenlautsprecher desaktiviert. Hilflos schlug Qent Milon auf die Lehne seines Kontursessels ein. Das Schiff war jetzt endgültig in der Gewalt der dämonischen Kreatur.
*
„Privates Tagebuch Nuuvar Shrook, vierter Terminus im Jahr 89 der Schwarzzeit: Es war eine Riesenherausforderung, den Kernbrennstoff für das Lebensschiff zu bekommen, und ohne die Hilfe des ersten Dieners Baalga Rool hätte ich es nie geschafft. Jetzt aber ist alles vorbereitet. Die Matrix ist an Bord des Schiffes, auch alle Aufzeichnungen, und ich habe den Start für den Abend geplant. Alle Systeme der Rakete zeigen Sollwert, der Start müsste gelingen. So bleibt wenigstens die Essenz unserer Zivilisation erhalten und kann denen, die sie finden, Zeugnis ablegen über unser Leben und unser großes Versagen.“
*
„Mobile Workstation DANGER, Logeintrag, 7. Februar 2445, Qent Milon, Fortsetzung: Hier kann ich nichts mehr tun. Kommandant Retos ist praktisch tot, er ist nur noch eine Art Zombie unter Kontrolle dieser verdammten Kreatur. Wenn ich sie bekämpfen will, benötige ich weitere Informationen. Und die bekomme ich nicht hier, sondern nur auf dem Planeten, auf dem wir niemals hätten landen dürfen.“
Der Miniroboter stürmte aus der Zentrale der TONUBY und wandte sich den Außenbezirken des Raumschiffs zu. Die organischen Stränge der Lebensform, die das Schiff übernommen hatte, beachteten DANGER weiterhin nicht. Sie war nur an organischem Material interessiert.
Qent Milon lud sich über die permanente Interkomverbindung zur Schiffspositronik, die er für DANGER eingerichtet hatte, die Dateien der Ortungsstation herunter. Bald hatte er gefunden, wonach er suchte: der Planet war unbewohnt – welch grausamen Klang hatte dieser Begriff auf einmal – zumindest, was eine technisch orientierte Zivilisation betraf. Deshalb war das verdichtete Metall eines Raumschiffwracks, das die Orter entdeckt hatten, das Ziel des Siganesen. Wenn nicht hier, wo sonst konnte er etwas über den geheimnisvollen Organismus erfahren?
DANGER erreichte die Außenhülle der TONUBY und verließ den Explorer durch eine der Mannschleusen auf dem Zentraledeck. Mittels des Antigravs und kleiner Korpuskulartriebwerke in den Beinen des Roboters erreichte Milon in kurzer Zeit die gesuchte Stelle.
Es waren die Überreste einer primitiven Rakete, deren Hauptantrieb auf kernchemischer Basis gearbeitet hatte. Zustand und Beschaffenheit des Hüllenmaterials deuteten darauf hin, dass das Wrack, dessen Gesamtlänge einmal knapp fünfzig Meter betragen haben musste, hier schon seit einigen Jahrhunderten lag. Nur was war mit der Kreatur? War sie wirklich an Bord der Rakete gewesen?
Qent Milon konnte sich nicht vorstellen, dass die Lebensform, die er kennen gelernt hatte, in der Lage war, ein Raumschiff zu bauen oder auch nur zu steuern. Was aber war dann mit dem Raumschiff?
Mit Hilfe von DANGER begann Milon, die Überreste der Rakete auseinander zu nehmen. Er begann mit dem ohnehin zerstörten Bug. Die kräftigen Handlungsarme des Miniroboters hatten keine Mühe, das marode Material zu zerlegen. Im Zentrum des Bugs fand der Siganese eine transparente Kugel aus einem Glassit – ähnlichem Material. Sie war vermutlich beim Aufprall geborsten. Darunter befand sich eine Recheneinheit, die wahrscheinlich der Steuerung der Rakete gedient hatte. Seitlich von diesem primitiven Computer entdeckte Milon dann endlich etwas sehr interessantes: eine Art von optischen Speicherkristallen, wie sie zur Aufnahme von Daten aller Art benutzt werden. War dies eine Art Logbuch? DANGER ergriff die Kassette mit den Kristallen und verließ das Wrack. Plötzlich ertönte eine Art Dröhnen, das die Außenmikrofone des Miniroboters übertrugen. Qent Milon riss die Augen auf. Die optischen Linsen DANGERS richteten sich bei maximaler Vergrößerung auf die TONUBY, von wo das Dröhnen kam.
Der Siganese glaubte nicht, was er da sah.
Die TONUBY startete.
*
„Wie ist das möglich?“
Der Siganese wusste, dass niemand auf diese Frage reagieren würde. Jetzt war schnelle Aktion angesagt, wollte er nicht hier ausgesetzt werden, auf diesem Planeten, der für das Explorerschiff zum Verhängnis geworden war.
DANGER hob mit voller Schubleistung der Korpuskulartriebwerke ab und schoss auf den stählernen Riesen zu, der sich unter der Gewalt der hochfahrenden Impulstriebwerke wie unwillig schüttelte.
Der Startvorgang verlief nicht so reibungslos wie gewöhnlich, aber schließlich waren die Verhältnisse an Bord ja auch wahrlich ungewöhnlich. Während DANGER auf die TONUBY zu schoss, überlegte der Ingenieur, wie man wohl ein Raumschiff starten wollte, dessen Besatzung zu achtzig Prozent zu Plasma umgeformt worden war. Nur ein knappes Fünftel der Besatzung besaß noch ihre Körper – aber nicht den freien Willen. Die Kreatur musste einen Weg gefunden haben, das Wissen der aufgelösten und übernommenen Raumfahrer anzuzapfen und zu nutzen.
„Was kann denn das Mistding noch?“ schimpfte Qent Milon, während die Außenhülle der TONUBY schon sein gesamtes Sichtfeld ausfüllte.
Der Explorer hatte tatsächlich abgehoben. Dabei waren einige der Landestützen abgeknickt, aber der Steigflug des 500 – Meter – Riesen stabilisierte sich. Milon hatte nur eine Chance, wenn er es noch an Bord schaffen wollte: er setzte darauf, dass durch die besonderen Umstände alle Vorgänge, die zum Start des Raumgiganten notwendig waren, nur oberflächlich oder nachlässig durchgeführt und überwacht wurden. Dann – und nur dann – würde die Mannschleuse, durch die er das Schiff verlassen hatte, noch geöffnet sein, ungeachtet der Gefahr eines Vakuumeinbruchs.
Mit Mühe und Not und durch Ausnutzung der letzten Reserven DANGERS schaffte es Milon, den Miniroboter tatsächlich noch in die Schleuse zu bekommen, die er durch einen Hieb auf die Nottaste dann verschloss.
Minuten später nur hatte die TONUBY die Atmosphäre des Planeten, der nicht einmal einen Namen erhalten hatte, endgültig verlassen.
Durch die permanente Verbindung DANGERS zur Positronik verfolgte der Kybernetiker, wie der Planet unter dem Schiff zurück blieb und immer kleiner wurde. Die Impulstriebwerke des Explorers liefen mittlerweile auf Volllast.
Was aber, überlegte Qent Milon, würde das Ziel der Reise sein? Wollte die Kreatur etwa wieder nach Hause?
*
„Unmöglich!“ schimpfte der Siganese lautstark. „Das kann nicht sein!“
Der Flug dauerte schon mehrere Tage, aber erst jetzt konnte Qent Milon herausfinden, welchen Kurs die TONUBY verfolgte. Die Verbindung DANGERS zur Hauptpositronik war immer anfälliger geworden, wie auch eine Reihe von Schiffssystemen in diesen Tagen ausgefallen waren. So intelligent die Wesenheit auch sein mochte, so viel Wissen sie auch aus den getöteten Raumfahrern abgesaugt hatte: mit einer so kleinen Besatzung, die nicht einmal wirklich noch lebte, sondern Marionetten gleich an den Fäden eines ungeschickten Puppenspielers herum torkelte, war ein Schiff wie die TONUBY auf Dauer nicht zu fliegen.
Jetzt aber stand es fest.
Es ging wirklich nach Hause.
Die TONUBY hatte Kurs auf Terra gesetzt.
Qent Milon konnte es nicht fassen. Nicht die Erde!
Seine Analysen hatten ihn zum Teil weiter gebracht, einige der offenen Fragen beantwortet. So hatte die genetische Untersuchung des Materials der Kreatur ergeben, dass es sie eigentlich nicht geben durfte. Eine derartig komplexe DNS hatte der Ingenieur noch nie in seinem Leben gesehen. Die Doppelhelix umfasste Millionen mal die Anzahl an Chromosomen wie die menschliche. Die Erbinformationen reichten aus, eine beliebige Anzahl an pflanzlichen, tierischen und höheren Organismen zu bilden und darzustellen. Konsequenterweise verzichtete die Kreatur allerdings darauf und verharrte im Zustand des Plasmas. Aus dieser organischen Grundform konnte sie nahezu alle Formen und Funktionen ableiten. Wie das genau funktionierte, konnte sich der Siganese nicht erklären, er war halt kein Biologe.
Dafür hatte er aus den Speicherkristallen, die er aus dem Wrack geborgen hatte, weitere wichtige Informationen gewinnen können. Neben technischen Spezifizierungen, die im Laufe der Zeit bedeutungslos geworden waren, hatte Milon auch Teile einer Art Logbuch entschlüsseln können. DANGER verfügte über einen leistungsstarken Translator, und dieser bot nach einer ganzen Weile eine phantastische Geschichte.
Danach war die Kreatur von einem Volk gestartet worden, das sich selbst die Zuur nannte. Milon hatte noch niemals von diesen Zuur gehört – und später wurde ihm auch klar, wieso. Offenbar hatten die Zuur erst kurze Zeit die Kernspaltung entdeckt. Anders als auf der Erde hatten die Völker des Planeten sich nicht auf eine Vereinigung zum Besseren aller verständigen können. Es war zu einem verheerenden Atomkrieg gekommen, dessen Schäden so gewaltig waren, dass der Planet drohte, auseinander zu brechen. Hinzu kamen der nukleare Winter und der immense radioaktive Fallout. Innerhalb von einigen Jahrzehnten war aus einer blühenden Welt eine Ödnis des Grauens geworden, die nicht länger lebensfähig war. Auch eilig in den Untergrund getriebene Festungen, so genannte Habitate, konnten schließlich dem Zerfall durch steigende tektonische Aktivität und gewaltige Vulkanausbrüche nicht mehr widerstehen.
Die Zuur verfügten noch nicht über die Möglichkeit, die Bewohner mit Raumschiffen ins Weltall zu retten. Alle Ressourcen wurden aufgebraucht, die Habitate zu errichten und zu verstärken – vergeblich. Und so war die gesamte Zivilisation zum Untergang verdammt.
Einige wenige Wissenschaftler hatten das erkannt und einen wahnwitzigen Plan entwickelt. Wenigstens die Erbmasse der Zuur sollte überleben.
Die besten Genetiker arbeiteten Jahre daran, einen perfekten DNS – Strang zu erzeugen, der in einer Nährlösung einen Flug in ein geeignetes Ökosystem überstehen konnte und dort die Chance hatte, in Verbindung mit der örtlichen Flora und Fauna den Anstoß zur Entwicklung einer neuen Rasse zu geben.
Die Zuur erschufen einen Virus!
Was dann wirklich geschehen war, konnte Qent Milon nicht mehr feststellen. Vielleicht war das Genmaterial während des langen Fluges in ein anderes Sonnensystem durch kosmische Strahlung mutiert, oder die Matrix hatte sich nach dem Absturz mit etwas verbunden, das zur Geburt der Kreatur führte – was auch immer.
Eines jedoch war klar: niemals durfte diese Lebensform auf die Erde gelangen!
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Der Flug der TONUBY war unruhig. Nur selten wurde eine Linearetappe dort beendet, wo sie hätte enden sollen. Dennoch rückte das Sol – System von Tag zu Tag näher und näher.
Qent Milon hatte verzweifelt versucht, die Flotte anzufunken. Leider gehörte der Hyperfunk aber zu den Anlagen, die bereits ausgefallen waren. Dennoch musste er den Menschen zu Hause – auch er empfand ein Gefühl der Bindung zur Erde – eine Warnung zukommen lassen.
Per Normalfunk würde dies aber erst bei Erreichen der Grenze des Sol – Systems gelingen.
Der Siganese hatte darüber nach gedacht, die TONUBY zu vernichten. Aber diesen Plan hatte er schnell aufgeben müssen. Der Schaden, den er selbst mit DANGER anrichten konnte, würde niemals ausreichen, um das ganze Schiff zuverlässig zu zerstören. Und auch als Wrack barg der Explorer noch seine furchtbare Fracht.
Nein, diesen Job mussten andere übernehmen. Qent Milon setzte auf die Wachflotte des Solaren Imperiums.
Aber wie sollte er sie dazu bringen, auf einen Explorer zu feuern, der augenscheinlich beschädigt ins Sol – System einflog und ihrer Hilfe bedurfte?
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„Sir, das sollten Sie sich anschauen!“
Captain Frank Velasquez war Cheffunker des schweren Kreuzers WRAITH, der jenseits der Plutobahn vor dem so genannten Oortschen Gürtel patrouillierte. Der Kommandant der WRAITH, Major Mundelheim, erhob sich von seinem Kontursessel und schritt hinüber zur Station Velasquez’.
„Was gibt es, Captain?“
„Ich empfange zwei Notrufe vom Explorer TONUBY, Sir. Der eine ist eine automatische Sendung, die andere kommt unverschlüsselt über ein breites Wellenband in Unterlicht herein, sehr schwach.“
„Verstehe“, sagte Mundelheim, „und was ist daran so besonders? Haben Sie die Identität des Explorers verifiziert?“
„Natürlich, Sir. Identität wurde doppelt verifiziert. Aber!“
„Nun machen Sie es nicht so spannend, Velasquez!“
„Sir“, der Funker begann zu schwitzen, „der automatische Notruf bittet um Hilfe, die andere Sendung verlangt von uns, das Schiff unter Beschuss zu nehmen und zu vernichten!“
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Qent Milon arbeitete verzweifelt am Schaltpult der Funkstation. Hier funtionierte kaum noch etwas. Dennoch hatte er es geschafft, eine schwache Verbindung zu einem Wachkreuzer zu bekommen, im Moment jedoch nur auf Audiobasis.
Er konnte sich vorstellen, dass die Besatzung des Kreuzers ihn für wahnsinnig halten musste. Wie konnte er sie nur von der furchtbaren Wahrheit überzeugen?
Der Kreuzer war inzwischen bis auf wenige Millionen Kilometer heran gekommen, und endlich baute sich auf einem Nebenbildschirm eine Bildverbindung auf. Der Siganese hoffte, dass auch die Leute auf der WRAITH, wie der Kreuzer hieß, ein Bild empfingen.
„Was zum Teufel ist bei Ihnen los?“
Der Kommandant des Wachkreuzers blickte ihn vom flackernden Schirm wütend an. Er konnte zunächst nur das Abbild DANGERS sehen, in dem Milon sich ja immer noch verbarg. Jetzt schaltete der Siganese um auf eine Innenansicht des Roboters.
„Hier spricht Ingenieur Qent Milon aus dem Spezialroboter DANGER. Sie müssen mir zuhören, ich weiß nicht, wie lange ich die Verbindung aufrecht erhalten kann.“
Dann berichtete er so kurz, aber auch so eindringlich wie möglich von den Geschehnissen an Bord der TONUBY. Dazu sendete er Bilder vom Inneren des Explorers, die die Kreatur zeigten.
„Deshalb“, schloss der Ingenieur und Kybernetiker eindringlich, „müssen Sie sofort das Feuer eröffnen und die TONUBY zerstören!“
Der Kommandant der WRAITH, ein Major mit Namen Mundelheim, rieb sich stirnrunzelnd das Kinn.
„Das kann ich nicht“, sagte er dann.
„Major, ich beschwöre Sie...“, begann Milon erneut. Dann plötzlich erhielt er einen furchtbaren Schlag, der ihn fest in die Andruckgurte seines Sitzes schleuderte. Dem Siganesen blieb förmlich die Luft weg, und die Übertragung aus dem Inneren DANGERS riss ab.
*
Abrupt wechselte das Bild. Mundelheim und Velasquez sahen nicht mehr den Siganesen, sie hatten jetzt ein Bild aus der Zentrale der TONUBY auf dem Schirm.
Der Kommandant und der Funker glaubten nicht, was sie da sahen.
Der Miniroboter wurde von mächtigen Armen gepackt und immer wieder auf den Boden geschleudert. Die Arme gehörten zu einem Ertruser, dessen gewaltige Körpermaße die des Roboters fünffach übertrafen.
Offenbar wollte der Ertruser – der wohl Kommandant des Explorers war – nicht, dass der Siganese innerhalb des Roboters weitere Berichte sendete.
Major Mundelheim blickte jetzt genauer hin. Dabei fielen ihm die Stränge auf, die mit dem Körper des Ertrusers verbunden waren. Diese Stränge führten zu einer amorphen Masse, die im Hintergrund der Zentrale nur undeutlich auszumachen war.
Immer wieder schmetterte der Ertruser den Roboter auf den Boden. Dann begann er, darauf herum zu trampeln. Dabei zeigte sein Gesicht nichts außer einem stupiden, leeren Ausdruck.
„Mein Gott“, stöhnte Mundelheim. „Es ist wahr.“
Er wechselte einen kurzen Blick mit dem Funker. Er war der Kommandant. Er musste sich entscheiden.
Der Roboter platzte schließlich auf, der Ertruser griff hinein und zog eine zappelnde kleine Figur heraus: den Siganesen. In seinen gewalten Fäusten zermalmte der Gigant den Kleinen. Immer noch war sein Gesicht ausdruckslos und leer.
„Klar Schiff zum Gefecht!“ befahl der Major mit belegter Stimme.
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Die Kreatur verging in den sonnenheißen Glutbällen einer ganzen Salve der Transformkanonen des Wachkreuzers. Sie merkte überhaupt nichts davon, sie verbrannte einfach in dem Höllenfeuer.
Damit hatte das Volk der Zuur endgültig aufgehört zu existieren. Niemals hörte wieder ein Mensch von der Tragödie seines Untergangs.